Kulturpflanzen

Kulturpflanzen
Kulturpflanzen,
 
Bezeichnung für Pflanzen, die als Nahrungs-, Heil-, Gewürz- oder Zierpflanzen vom Menschen in planmäßige Kultur, Bewirtschaftung und Züchtung genommen wurden; Kulturpflanzen haben durch bessere Wachstumsbedingungen und Pflegemaßnahmen, beabsichtigte und unbeabsichtigte Kreuzungen, durch Standortbedingungen und Kulturmaßnahmen, bedingte Auslese sowie künstliche Mutationsauslösung vielfältige Änderungen in ihrem Erbgefüge erhalten, die sich in einer großen Formenvielfalt zeigen.
 
Die der Kulturpflanzenzüchtung zugrunde liegenden genetischen Prozesse sind Mutationen und Polyploidisierung; diese werden durch Züchtung und Auslese stabilisiert. Infolge Steigerung der dem Menschen dienlichen und Ausmerzung der unerwünschten Eigenschaften durch gezielte Züchtungsmaßnahmen besitzen Kulturpflanzen gegenüber dem jeweiligen Wildtyp einige gemeinsame Merkmale; die wichtigsten sind: 1) Riesenwuchs, der zur Ertragssteigerung führt; bei Zierpflanzen unter Umständen aber auch Zwergwuchs als Züchtungsergebnis; 2) Verminderung der Fruchtbarkeit durch Abnahme der Blüten-, Frucht- und Samenzahl (bis zur Samenlosigkeit, z. B. bei Banane, Weintraube, Zitrusarten) bei gleichzeitiger Vergrößerung von Blüten und Früchten oder auch Verlust der Fortpflanzungsorgane (Verlaubung gefüllter Blüten bei Zierpflanzen); 3) Verlust von Bitter- und Giftstoffen (Obstarten, Rüben, Lupine), der, da diese Stoffe oft als Fraßschutz wirken, mit einer größeren Anfälligkeit der Kulturpflanzen gegenüber Schädlingen einhergeht; 4) Veränderung des Lebenszyklus (Keimruhe, Saatauflaufzeit, Blüh- und Fruchtreife), die eine einfachere Bewirtschaftung und die Ausbreitung in weniger günstige Klimazonen ermöglicht.
 
Für die Systematik der Kulturpflanzen gelten die Regeln der systematischen Botanik. Wie bei den Wildpflanzen wird unterschieden zwischen Art (Spezies), Unterart (Subspezies), Varietätengruppe (Convarietas), Varietät (Varietas), Untervarietät (Subvarietas) und Form (Forma), wobei es für die Anwendung der verschiedenen Stufen unterhalb der Unterart keine verbindliche Regelung gibt. Die unterste Kategorie in der Einordnung der Kulturpflanzen ist die Sorte, der international anerkannte Terminus hierfür ist Cultivar (seit 1952).
 
Die Züchtungsforschung arbeitet an der Verwirklichung einer Reihe von Zielen, deren wichtigste sind: 1) die Möglichkeit zur Einführung von Resistenzgenen gegen Pathogene; 2) Erzielung von Stressresistenz (z. B. gegen Hitze, Kälte, Nässe, Trockenheit, Salze); 3) Qualitätsverbesserung, besonders im Hinblick auf den Proteinanteil von Nahrungspflanzen sowie die Proteinzusammensetzung; 4) die Fähigkeit, elementaren Stickstoff zu binden und damit von Stickstoffdünger unabhängig zu werden.
 
Obwohl etwa 30 000 Pflanzenarten essbar sind, wird die Welternährung weitgehend durch nur 30 Pflanzenarten abgedeckt. Von diesen gibt es zahlreiche Kultursorten. Viele Hochleistungssorten bedürfen der Einkreuzung wilder Sorten, um Resistenzen gegen Schädlinge und Krankheiten zu erwerben. Aus diesem Grund hat die Erhaltung der biologischen Vielfalt der Wildpflanzen große Bedeutung für den Erhalt genetischer Ressourcen der Kulturpflanzen (Genreservoire).
 
 Geschichtliches
 
Rodung, Sesshaftwerden und die Pflege der Pflanzen von der Saat bis zur Reife (Ackerbau) gingen Hand in Hand. Durch Auslese haben wahrscheinlich schon die ersten Ackerbau treibenden Menschen die Entwicklung der wilden Pflanzen zu Kulturpflanzen planmäßig betrieben.
 
Die Entstehung der Kulturpflanzen hat erstmals A. P. De Candolle (1855, 1883) wissenschaftlich behandelt. Sie kann als ein Modell für die Entwicklung der Pflanzenwelt unter relativ gut bekannten Verhältnissen angesehen werden. Wawilow nahm als Ausgangsgebiete des Ackerbaus nicht die Flusstäler von Indus, Euphrat, Tigris und Nil an, sondern die Gebirge und Hochebenen von Südost-, Mittel- und Vorderasien, des Mittelmeergebiets, Äthiopiens; in Amerika die Hochländer in Peru, Bolivien, Kolumbien, Mexiko.
 
 
G. Geisler: Farbatlas landwirtschaftlicher K. (1991);
 W. Franke: Nutzpflanzenkunde (51992);
 U. Körber-Grohne: Nutzpflanzen in Dtl. Kulturgesch. u. Biologie (31994);
 S. Rehm u. G. Espig: Die K. der Tropen u. Subtropen. Anbau, wirtschaftl. Bedeutung, Verwertung (31996).

Universal-Lexikon. 2012.

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